VKSI Magazin #13 – Hans Hubschneider

HubschneiderDer gebürtige Schwabe Hans Hubschneider studierte ursprünglich Mathematik und Physik an der Universität Karlsruhe (heute KIT) und wechselte dann zum damals noch jungen Fach Informatik. Bei seiner Arbeit als Operator im Rechenzentrum fiel ihm auf, dass das Bauingenieurwesen etwa so viel Rechenzeit wie die theoretische Physik verschlang, und fahndete nach der Ursache.

Die Bauingenieure wiederum hatten gerade angefangen, das individuelle Fahrverhalten zu simulieren und suchten dafür dringend Informatiker. Der Fortgang der Geschichte erzählt sich daher fast von selbst: Verkehrswesen wurde als neues Nebenfach der Informatik eingeführt, Hubschneider stieg am Institut direkt in den Bereich Verkehrssimulation ein und modellierte in seiner Dissertation den Komplex »Fahrverhalten in der Stadt«, bis er schließlich gemeinsam mit Michael Sahling die PTV (damals als Planungsbüro Transport und Verkehr) gründete, die er von 1981 bis 2011 als Geschäftsführer, Vorstandssprecherund zuletzt als CEO leitete, und die mit mehr als 600 Mitarbeitern internationaler Marktführer auf dem Gebiet der »Planung und Optimierung von Mobilitätssystemen« ist. Doch inzwischen gilt seine Leidenschaft den erneuerbaren Energien und dem Netzwerk fokus.energie.

Sie hatten eine Stelle an der Universität Karlsruhe, aus welchem Anlass haben Sie sich dann entschlossen, die PTV zu gründen?

Hubschneider: Unser Know-how zur Verkehrsoptimierung stieß auch andernorts auf großes Interesse; die PTV haben wir 1979 für diese Anfragen gegründet. Parallel dazu haben wir zunächst weiter am Institut gearbeitet, aber nachts durften wir die Rechner für unsere eigenen Projekte laufen lassen. In den folgenden Jahren immer mehr Freunde und Kollegen aus dem Institut zur PTV, außerdem haben uns unsere Professoren sehr unterstützt. Die von uns entwickelte Simulationssoftware haben wir dann später dem Institut abgekauft. Zunächst haben wir uns aber auf die Felder Logistik und Transport konzentriert. Mit Verkehrsplanung und -simulationen haben wir erst wieder Mitte der achtziger Jahre begonnen. Dazu konnten wir dann unsere eigenen Modelle verwenden.

Solche Simulationen ergeben vermutlich übergreifend interessante und verallgemeinerbare Modelle für die Gesellschaft…

Hubschneider: Alles, was wir bei der PTV machen, zielt darauf, zu verstehen, wie Menschen agieren und wie sie Entscheidungen treffen, und dieses Wissen in Computermodelle umzusetzen. In der Verkehrsplanung zum Beispiel klassifizieren wir ausgehend von Merkmalen wie Wohnort, Beruf, Familienstand etc. wir das individuelle Verkehrsverhalten in relevante verhaltenshomogene Gruppen und können so Entwicklungen abschätzen. Man muss das Verhalten im Kleinen verstehen, um im Großen modellieren zu können, wie sich Pendlerströme zusammensetzen und wie Berufs- oder städtische Wirtschaftsverkehre aussehen. Für die Emirate konnten wie mit dieser Methode prognostizieren: Wenn Ihr so wachsen werdet, wie Ihr das vorhabt, könnt Ihr den Verkehr der Zukunft nicht mit einer sechs-, acht- oder zwölfspurigen Straße bewältigen; die Region braucht vielmehr ein Nahverkehrssystem mit S- und U-Bahnen, mit Straßenbahnen und einem Busnetz. Unsere Argumente haben überzeugt und unser Konzept wurde umgesetzt.

Verkehrsplanung war also schon immer Big Data.

Hubschneider: Natürlich. Wenn wir über ein Verhaltensmodell für Deutschland reden, dann handelt es sich dabei um Verkehrsbeziehungen zwischen 40.000 Zellen, wobei eine Zelle etwa 2.000 Einwohner umfasst. Tatsächlich geht man im Verkehrsbereich immer mit extrem vielen Daten um: Man baut Datengrundlagen anhand der Ergebnisse von Befragungen und Messungen, damit erstellt man ein Modell und gleicht dieses mit der Realität ab. Heute sammelt man möglichst viele Daten aus dem aktuellen Verkehrsgeschehen und baut darauf die Steuerung auf, um etwa Staustrecken durch großräumige Ampelsteuerungen oder Alternativrouten für die Navigationssysteme zu entlasten.

Seit 2011 haben Sie nun Ihren Schwerpunkt auf die »Erneuerbaren Energien« verlagert. Gibt es hier einen direkten Zusammenhang?

Hubschneider: Mein erster Kontakt mit der Energie kam tatsächlich über den Verkehr zustande: Ich habe ab 2010 in der »Nationalen Plattform Elektromobilität« mitgearbeitet. Dort konkurrierten zwei Studien zur Ladeinfrastruktur – die eine kam von der Automobilindustrie, die andere von den Energieversorgern. Wir als PTV wurden dann gebeten, aus den beiden sehr unterschiedlichen Ansätze ein integriertes Konzept für den Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zu entwickeln. Dabei habe ich viel über die ganz anderen Randbedingungen im Sektor »Energie« gelernt.

Aber die erneuerbaren Energien waren dann nicht der Grund, dass Sie die PTV verlassen haben.

Hubschneider: Nein, überhaupt nicht. Ich hatte mir schon lange vorgenommen, mit 60 noch etwas Neues anzufangen, und konnte das auch tun, da ich einen guten Nachfolger hatte. Ich bin dann in den Energiebereich eingestiegen, unter anderem in einem Think Tank des BDI* zum »Internet der Energie«, den ein Karlsruher Kollege (Professor Orestis Terzidis, KIT) leitet. Ein weiteres Engagement bei AVA-CO2 (das Unternehmen beschäftigt sich mit der hydrothermalen Karbonisierung von Biomasse) war dagegen aus einem privaten Investment entstanden. Dort heißt meine Rolle »External Affaires«, also insbesondere Kontaktaufbau zu Umwelt- und Genehmigungsbehörden sowie zu den Forschungs- und Innovationsförderern. Darüber bin ich dann auch in Verbindung zu KIC InnoEnergy gekommen, einer europäischen Initiative zur Innovationsförderung im Energiebereich. So habe ich mich noch stärker mit dem Thema Energie auseinandergesetzt und hatte (und habe) das Vergnügen, ganz viel Neues zu lernen. Das war für mich persönlich die absolut richtige Entscheidung, ich konnte mir ein ganz neues Feld erarbeiten und gleichzeitig auf vieles zurückgreifen, denn im Grunde kann man auch Energieflüsse wie den Verkehr modellieren.

Inzwischen haben Sie bei KIC InnoEnergy eine entscheidende Rolle in der Innovationsförderung eingenommen.

Hubschneider: Naja, ich bin im Aufsichtsrat des EIT, dem Europäischen Institut für Innovation und Technologie und vertrete dort unter anderem das KIC InnoEnergy – es gibt jedoch noch weitere solcher KICs (Knowledge and Innovation Communities) in anderen Segmenten. Das europäische Unternehmen KIC InnoEnergy investiert in Innovationen im Energiesektor und will damit ein nachhaltiges Energiesystem für Europa unterstützen. Die EU reagiert mit diesem Konzept auf die Erkenntnis, dass wir im weltweiten Vergleich zu wenig für die Innovationsförderung tun. In Europa bringt nun das KIC InnoEnergy sein Beziehungsnetzwerk ein, um Projekte und Gründungen gemeinsam mit ihren Initiatoren weiter zu entwickeln und Unternehmen mit neuen Produkten in die Märkte zu helfen. Im Energiebereich handelt es sich ja fast immer um substanzielle Investitionen: Eine Demo-Anlage kann schon mal mehrere Millionen Euro kosten, das kann ein kleines und junges Unternehmen nicht so einfach leisten. Noch dazu ist der Energiemarkt reguliert und jede Art von Innovation ist auf Kooperation angewiesen. In unserem Partnernetzwerk sind viele große Energieunternehmen als Gesellschafter beteiligt und so bekommen junge Unternehmen Zugang zu diesem Netzwerk.

Innovationsförderung interessiert Sie schon lange, Sie sind ja auch seit mehr als 15 Jahren Beiratsvorsitzender in der Karlsruher Technologiefabrik, in der junge Unternehmen in der Anfangsphase eine Heimat bekommen. Außerdem haben Sie nun die Organisation fokus.energie gegründet. Was bezwecken Sie mit diesem Netzwerk?

Hubschneider: Ein bisschen nach dem Vorbild des Cyberforums haben wir vor etwa einem Jahr ein neues Energie-Netzwerk gegründet, das die Ziele verfolgt, mehr Aufmerksamkeit für unsere Energiekompetenz zu gewinnen, Gründer aus der Region zu fördern und den Austausch und das effiziente Zusammenspiel der Player aus Wirtschaft, Forschung und Politik zu unterstützen. Es dient damit der Förderung unseres regionalen EnergieClusters, um hier neue Technologien im Bereich erneuerbarer Energien zu entwickeln. Mit gebündelten Kräften stärken wir die Region Karlsruhe und erhöhen wir deren Sichtbarkeit. fokus. energie hat inzwischen schon mehr als 50 Mitglieder und die wesentlichen Institutionen an Bord. Das Thema bewegt sich und wächst: Dieses Energie-Netzwerk ist gerade meine Hauptbeschäftigung.

Sie haben sich also vollständig der Innovationsförderung und den Netzwerken verschrieben, vermissen Sie nie die IT?

Hubschneider: Nein, denn die IT ist eine der Grundlagen, auf der alle Technologien aufbauen. Deswegen habe ich damit dauernd zu tun. Doch wenn man viele Leute kennt und so lange Jahre so viele Beziehungen geknüpft hat und diese weiter aufbauen und pflegen kann, sieht man, dass man etwas bewegen kann. Die Kunst besteht darin, Dinge zueinander in Beziehung zu setzen und Menschen zusammenzubringen. Die PTV hat sich immer dort besonders gut entwickelt, wo wir Dinge neu verknüpft haben, die vorher nichts miteinander zu tun hatten: Als wir mit der Verkehrsplanung begonnen haben, gab es auf der einen Seite die Planer für den Autoverkehr und auf der anderen Seite die Planer für den Bus- und Straßenbahnverkehr. Wir haben das erste System gebaut, in dem man integriert planen konnte. Und die Erfahrungen aus solchen integrierten Planungssystemen kann man auf weitere Branchen übertragen.

Und was sagen Sie jemandem, der darüber klagt, dass die Stromkosten wegen der EEG-Umlage höher geworden sind?

Hubschneider: Statt zu klagen, dass wir pro Jahr 50 Euro mehr Stromkosten haben, sollten wir das große Ganze betrachten: Inzwischen haben auch die Entwicklungs- und Schwellenländern echte Alternativen zur Atomkraft und zur Kohle- und Gaskraftwerken. Draußen in der Welt sieht man, dass Deutschland mit dem EEG die entscheidenden Investitionen in Windenergie und Fotovoltaik angestoßen hat – und sonst niemand. Wir haben damit eine Entwicklung auf den Weg gebracht, die die Welt ver- ändert. Wir sollten darauf stolz sein.

Vielen Dank für das Interview, Herr Hubschneider. (Susann Mathis)

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